Alfred Kubin (Künstler-Portrait)
Der Graphiker und Maler Alfred Kubin wurde am 10. April 1877, als Sohn eines Landvermessers und einer Pianistin in Leitmeritz in Böhmen geboren.
Die ersten Jahre seiner Kindheit verbrachte Kubin in der Stadt Salzburg und in Zell am See. Zu seiner Mutter hatte er ein sehr liebevolles und inniges Verhältnis, da sie viel Verständnis für ihn aufbrachte. Beinahe das Gegenteil davon scheint der Vater gewesen zu sein, der mit Strafen und Prügeln nicht gerade sparsam umging, was in ihm negative Gefühle ihm gegenüber hervorrief. Nach dem frühen Tod der Mutter, der für ihn ein einschneidendes Erlebnis darstellte, schickte ihn der Vater nach Salzburg ins Gymnasium, das er aufgrund schulischen Versagens bald verlassen musste. Dadurch verstärkte sich auch der seit früher Kindheit bestehende Konflikt mit seinem Vater.
Nach dem Besuch der Kunstgewerbeschule in Salzburg begann Kubin im Alter von fünfzehn Jahren bei einem Verwandten in Klagenfurt eine Lehre als Photograph. Während dieser Zeit kam er mit Schopenhauers “Parerga” in Berührung, wodurch seine Weltanschauung stark vom Pessimismus geprägt wurde. Kubins seelischer Zustand verschlechterte sich immer mehr, sodass er daran dachte, seinem Leben ein Ende zu setzen. Ein missglückter Selbstmordversuch am Grab der Mutter führte in seinem Leben eine Wende herbei. Nach Überwindung dieses seelischen Tiefs konnte er sich schließlich dazu durchringen, die Lehre doch noch abzuschließen.
Aufgrund mangelnden Interesses an der Photographie wollte Kubin eine andere berufliche Laufbahn einschlagen und beschloss, in die Armee einzutreten. Doch auch der Dienst in der Armee war nicht von Dauer. Ein erneut auftretender seelischer Erschöpfungszustand bedeutete für ihn das Ende der Arbeit beim Militär. Das Zeichnen, seine bevorzugte Freizeitbeschäftigung, und auch mehr Zuwendung vonseiten seines autoritären Vaters verliehen ihm wieder Kraft und halfen ihm, mit seinen seelischen Problemen fertigzuwerden und neuen Lebensmut zu fassen.
Im Frühjahr 1898 begab sich Kubin nach München, um an Privatschulen und auf der Kunstakademie Graphik und Malerei zu studieren. Die wichtigsten Anregungen für sein künstlerisches Schaffen bekam Kubin nicht durch das Studium, sondern in der Pinakothek durch die Werke von Künstlern wie Klinger, Munch, Redon und Goya. Die Unerreichbarkeit dieser künstlerischen Vorbilder ließ in Kubin das negative Gefühl der Minderwertigkeit hochkommen. Seine grundsätzlich pessimistische Weltanschauung fand durch die Lektüre von Nietzsche und Schopenhauer noch zusätzliche Bestätigung. Kubins empfindsame Seele wurde durch den Tod einer geliebten Freundin schwer erschüttert. In diesen traurigen Tagen fand er Trost bei seiner späteren Ehefrau Hedwig Gründler, der Schwester seines Schriftstellerkollegen Oskar Schmitz, einer gebildeten und reichen Witwe, die durch ihre mütterliches Wesen imstande war, ihm das für die seelische Stabilisierung notwendige Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. Sie stellte auch die notwendige Menge an Geld für den Erwerb des sogenannte “Schlössls” in Zwickledt bei Wernstein am Inn zur Verfügung.
In der ländlichen Abgeschiedenheit von Zwickledt lebte Kubin zusammen mit seiner Frau von nun an die meiste Zeit und widmete sich intensiv der Literatur und der künstlerischen Produktion. Gelegentliche Reisen nach Böhmen, auf den Balkan, Südfrankreich, Italien, Prag, Berlin, München, Zürich oder Paris ermöglichten es ihm, mit Künstlerkollegen und Freunden zusammenzutreffen. Alljährlich kehrte Kubin gerne in sein Heimatland Böhmen zurück, sodass er auf einer seiner Zeichnungen aus der Sammlung “Phantasien aus dem Böhmerwald” vermerkte: “Seither weiß ich, dass diese oft düstere menschenarme Landschaft die eigentliche Heimat meiner Seele ist, dass in ihr die tiefsten Wurzeln meines Wesens ruhen. Dieses Bewusstsein erfüllt mich seitdem ganz und gar, mit unwiderstehlicher Gewalt zieht es mich Jahr für Jahr in dieses Land.” Durch regen Briefwechsel stand er in Gedankenaustausch mit seinen Freunden wie Ernst Jünger; Salomo Friedländer, Richard Billinger oder Gustav Meyrink.
Nur allmählich milderte sich im Laufe der Zeit der Pessimismus seiner Jugendjahre. Trotz der Lektüre der philosophischen Schriften Kants, die ihm die Augen zu einer nüchterneren Sichtweise der Dinge öffnete, fiel es Kubin schwer, in Einklang mit sich selbst zu kommen. Die Auseinandersetzung mit dem Buddhismus stürzte ihn anfangs in eine Sinnkrise, deren Bewältigung ihm aber bald gelang. In seiner religiösen Weltanschauung blieb Kubin zeit seines Lebens dem Buddhismus verbunden. Mit zunehmendem Alter entwickelten sich bei ihm auch seelische Ausgeglichenheit und innere Ruhe. Vor den Greuel und Wirren des Zweiten Weltkrieges blieben die Kubins durch ihren Wohnsitz in der Einöde von Zwickledt bewahrt. Nichtsdestotrotz hinterließen die auszustehenden Ängste und die schrecklichen Ereignisse des Krieges tief schürfende Wunden in der Seele des sensiblen Künstlers.
Die wirtschaftlichen Grundlagen seines Künstlerdaseins verschaffte sich Kubin zum Großteil durch Illustrationen zu literarischen Werken von Edgar A. Poe, Fjodor Dostojewsky, E.T.A. Hoffmann, August Strindberg, Jean Paul, Voltaire, Honore de Balzac, Hugo v. Hofmannsthal, Gerhard Hauptmann, Annette v.Droste-Hülshoff, Franz Werfel, Gustav Meyrink, Paul Scheerbart und des Buches Daniel aus dem Alten Testament. Als Fundgrube für die Illustrationen dienten die Skizzen von Eindrücken auf Reisen, bei Spaziergängen oder in Museen. Kubins künstlerische Arbeit wurde durch Ausstellungen im In- und Ausland und durch die Veröffentlichung seiner Werke entsprechend gewürdigt.
Im Jahre 1959 verstarb Kubin im Alter von zweiundachtzig Jahren in Zwickledt.
Zeittafel
1877:
Am 10. April wird Alfred Kubin in Leitmeritz (Böhmen) geboren
1879:
Übersiedlung nach Salzburg, wo er bis 1882 lebt.
1882:
Übersiedlung der Familie nach Zell am See
1887:
Am 8. Mai stirbt Kubins Mutter, Eintritt ins Gymnasium Zell am See bis 1988
1888:
Gemeindeschule Zell am See bis 1891
1891:
Beginn der Lehrzeit bei dem Photographen Beer in Klagenfurt bis 1896
1896:
Versucht sich im Oktober am Gab der Mutter das Leben zu nehmen
1897:
Leistet von Jänner bis April den Wehrdienst ab, aus dem er wegen eines schweren Nervenleidens entlassen wird
1898:
Besucht bis 1901 die private Kunstschule Schmidt-Reutte und die Gysis-Klasse an der Münchner Kunstakademie
1902:
Im Jänner die erste Ausstellung bei Bruno Cassierer in Berlin
1903:
Erste Veröffentlichung von Zeichnungen bei Hans von Weber in München, Am 1. Dezember stirbt seine Braut Emmy Bayer
1904:
Ehe mit Hedwig Gründler, geb. Schmitz Ende März
1905:
Reise nach Südfrankreich und Italien
1906:
Erster Aufenthalt in Paris, Im Juni erwirbt er das Schlößchen Zwickledt bei Wernstein in Oberösterreich, Übersiedlung von München dorthin
1907:
Im Herbst Reise nach Bosnien und Dalmatien, Am 2. November stirbt Kubins Vater
1908:
Reise nach Oberitalien mit Fritz von Herzmanovsky-Orlando, ‘Die andere Seite’ (Roman)
1909:
Balkanreise mit Karl Wolfskehl, Beitritt zur ‘Neuen Künstlerverineigung München’
1911:
Im Herbst Reise nach Prag
1912:
Mitglied des ‘Blauen Reiter’
1914:
Im Jänner die zweite Reise nach Paris
1916:
Im März Buddhistische Übungen, innere Krise
1921:
Erste Kollektiv-Ausstellung bei Goltz in München
1924:
Aufenthalt in der Schweiz
1930:
Mitglied der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin, während der nächsten 10 Jahre hält sich Kubin häufig im Böhmerwald auf
1937:
Ernennung zum Professor, im April findet eine große Ausstellung in der Albertina in Wien statt
1947:
Ehrenbürger der Stadt Linz
1948:
Seine Frau Hedwig stirbt am 15. August
1949:
Mitglied der Bayrischen Akademie der schönen Künste
1951:
Österreichischer Staatspreis für bildende Kunst
1952:
Ulisse-Preis auf der Biennale in Venedig
1955:
Internationaler Preis für Zeichnung auf der Biennale in Sao Paulo
1959:
Am 20. August stirbt Alfred Kubin in seinem Schlößchen Zwickledt