Blau, Tina

Die bedeutende Wiener Malerin wurde mit ihren Prateransichten berühmt, ihre stimmungsvollen Impressionen aus Holland, Italien, Deutschland, Österreich und ganz besonders Wien sowie die Stilleben werden von Kennern seit jeher geschätzt. Von ganz besonderem Reiz sind ihre feinnervigen, zarten Bleistift- und Federzeichnungen, denen man den malerischen Charakter nicht absprechen kann. Leichte Höhungen unterstreichen diesen Eindruck zeitweilig, aber man kann sie nicht als bloße Skizzen zu Gemälden ansehen. Es sind eigenständige Arbeiten. Tina Blau ist in zweifacher Hinsicht für die Kunstgeschichte bedeutsam: Zum einen konnte sich die Künstlerin als eine der ersten Frauen in der Malerei einen Namen machen, zum anderen zählt sie zu den wichtigsten Exponenten der österreichischen Malerei der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie gründete mit anderen Malerinnen die ‘Kunstschule für Frauen und Mädchen’, die 1901 Öffentlichkeitsrecht erhielt.
Ihre Bilder kamen zum Teil in den Besitz des Kaisers in Wien sowie des Prinzeregenten von Bayern

Regina Leopoldine Blau wird am 15.11.1845 als zweites Kind des Ehepaars Simon und Theresia Blau in Wien geboren. Simon Blau, gebürtig aus Prag, dient in der k&k Armee als Unterarzt des Ernst-Grenadier-Regiments, danach lässt er sich als selbständiger Zahnarzt nieder. Die Mutter stammt aus Mähren, aus Battelau bei Iglau.

Schon als Kind möchte Tina, wie sie gerufen wird, zeichnen. Wie sie selbst sagt, am liebsten nach Gottes freier Natur. Entgegen der allgemeinen Tendenzen des 19. Jahrhunderts fördert der Vater, selbst kunstsinnig und ein verhinderter Maler, die Kunstlust seiner Tochter, sie erhält schon im jugendlichen Alter von 13 Jahren privaten Zeichenunterricht bei dem Landschaftsmaler Anton Hanély.
Ab 1960 lernt sie bei ihrem Hauptlehrer, bei August Schaeffer. Mit 22 Jahren stellt sie sich erstmals der Öffentlichkeit im Österreichischen Kunstverein, ein Jahr später nimmt sie an der Eröffnungsausstellung des Wiener Künstlerhauses teil und wieder ein Jahr später, 1869, verkauft sie ihr erstes Bild. Mit dem Erlös fährt sie nach München zur Ersten Internationalen Ausstellung im Glaspalast, wo sie die Schule von Barbizon kennen und lieben lernt, und diese sollte nachhaltig weiterwirken.
Da die Eltern ihr die Erlaubnis erteilen, in München zu bleiben, schreibt sie sich an der Münchner ‘Kunstschule für Mädchen’ ein. Sie wird Schülerin des Historienmalers Wilhelm Lindenschmit. Im selben Jahr verkauft sie das Bild Jakobsee bei Polling und damit ist der weitere Aufenthalt auch finanziell gesichert.
In München lernet sie viele Maler kennen, unter anderem auch Gustav Courbet, und sie schätzt den regen, künstlerischen Austausch. 1873, als die Cholera in München grassiert, wird sie von den besorgten Eltern heimgerufen.

Tina Blau lernt während eines Aufenthalts im Sommer 1972 in Fischamend bei Wien den Maler Jakob Emil Schindler kennen, mit dem sie später in Ateliergemeinschaft gehen wird, und mit ihm einige Malerkollegen wie Eugen Jettl, Julius Viktor Berger, Franz Rumpler und Hugo Charlemont.
1873 reist sie mit Schindler gemeinsam auf den Spuren von August Pettenkofen, den sie zu ihrem Vorbild erhoben hatten, nach Ungarn, nach Szolnok in die Tiefebene. Dort entdecken beide, über die Schule von Barbizon hinausgehend, die Bedeutung des Sonnenlichts für die Malerei.
1874 teilt sie mit Schindler das Atelier, da es schwierig ist, eines zu finden.
1875 ermöglicht ihr der Verkauf eines Bildes eine Reise nach Holland, wo sie schon lange hinwollte. Frans Hals und Rembrand machen einen tiefen Eindruck auf sie. Schindler folgt ihr auf dem Fuß, aber sie betont ihre Unabhängigkeit gegenüber dem in der Öffentlichkeit dominierenden Schindler, indem sie sagte: ‘Sofort schloss sich Schindler mir an. Er hatte 400 Gulden zur Verfügung und ich kann sagen, dass er mit dieser kleinen Summe nie eine Studienreise nach Holland hätte machen können.’ (vgl. die Zeichnung Amsterdam von Schindler mit Venedig von Blau)
1876 reist sie nach Italien und verbringt die meiste Zeit in Venedig. 1879 führt sie eine zweite Reise auch nach Rom und Neapel. Die hellen, klaren, satten Farben der italienischen Freskokunst beeindrucken sie nachhaltig.

1876 ergeht an Emil Schindler und Tina Blau die Einladung, ein Atelier im Prater zu mieten, Schindler ist aber nicht gewillt, Tina einen Raum zu überlassen. Frustriert bleibt sie im alten Atelier. Später söhnen sich die beiden aus und Tina zieht ins neue Prater – Atelier um, als Schülerin Schindlers, denn Untervermietung ist nicht erlaubt.
Als Schindler 1879 Anna Bergen heiratet, hat Tina das Atelier für sich allein. Im selben Jahr stellt sie ihr erstes Praterbild aus, den Beginn einer Reihe von Gemälden, Aquarellen und Zeichnungen, für die sie berühmt werden sollte, und sie will es in der Jahresausstellung des Künstlerhauses präsentieren. Aber zuerst war die Hürde des Streits Atelierbild versus Freiluftmalerei zu überstehen, die Hängekommission meint. ‘Wo immer man das Bild hinhängt, es reißt ein Loch in die Wand!’ Hans Markart setzt sich für Tina ein und das Bild bleibt und erlangt sogar trotz denkbar schlechter Hängung höchste Beachtung. Der französische Kultusminister möchte das Bild im Pariser Salon präsentieren, wo es die Mention honorable erhält. Die Malerin des Wiener Praters war geboren! Dem Impressionismus Manets und Monets verschlossen reist sie mit Lily von Myrbach-Rheinfeld nach Barbizon und Fontainebleau.

Zurück in München verlobt sich Tina Blau mit dem Münchner Maler Heinrich Lang, den sie am 29. Dezember 1884 heiratet. Zwei Monate zuvor war sie vom Judentum zum Protestantismus konvertiert.

Nach der Hochzeitsreise (Griechenland, Türkei, Vorderer Orient) beziehen die beiden getrennte Ateliers und Tina unterrichtet an der Damenakademie des Münchner Kunstvereins. Sie beschickt regelmäßig internationale Ausstellungen und erreicht mit ihren Bildern stets hohe Beachtung und manche Auszeichnung (Bronzene Medaille der Pariser Weltausstellung 1889, Auszeichnung in Chicago 1893). Sie richtet 1890 ihre erste Einzelausstellung im Münchner Kunstverein aus, die um die Welt gehen sollte. Zu ihren prominentesten Sammlern zählt sie den bayrischen Prinzregenten. 1894 erhält sie die Königlich Bayrische Medaille am Band.

1891 stirbt ihr Mann überraschend im Alter von 53 Jahren. Drei Jahre danach übersiedelt Tina wieder nach Wien, im selben Jahr stirbt mit der Mutter eine weitere wichtige Bezugsperson der Malerin. In den folgenden Jahren engagiert sie sich nachhaltig für eine Frauenakademie, und am 1. Dezember 1897 wird die Kunstschule für Frauen und Mädchen offiziell gegründet. Tina unterrichtet dort seit 1998. Die fortschreitende Schwerhörigkeit zwingt sie 1915, ein Jahr vor ihrem Tod, die Lehrtätigkeit einzustellen.

In diesen beiden letzten Jahrzehnten kommt sie auch in Wien zu höchsten Ehren, so erhält sie 1897 die Kleine goldene Medaille des Künstlerhauses und 1912 die Große goldene Staatsmedaille. In diese Zeit fällt auch ihre enge Freundschaft mit Marie von Ebner-Eschenbach, mit deren Wesen sie oft verglichen wird. Ausstellungen häufen sich, Ehrungen folgen, bis Tina im hohen Alter 1910 einen Werkkatalog erstellt und die Fotografin Pauline Wolf bittet, Fotos für diesen anzufertigen.

Im Oktober des Jahres 1916, dem Todesjahr Kaiser Franz Josefs, muss Tina Blau auf Anraten des Arztes einen Gastein-Aufenthalt abbrechen, kehrt nach Wien zurück und stirbt am 31. Oktober desselben Jahres im Sanatorium Elisabethinum (heute Evangelisches Krankenhaus). Sie findet am Zentralfriedhof ihre letzte Ruhestätte.

Die Bedeutung der Malerin Tina Blau für die Österreichische Kunst

Tina Blau wurde, abgesehen von ihrer wichtigen sozialen Funktion als Frau in der Kunst und ihrem Engagement für die Malerei von Frauen, zur wichtigsten Vertreterin des Stimmungsimpressionismus und der Pleinair-Malerei Österreichs. Das Interesse an der Darstellung wechselnder atmosphärischer Erscheinungen (Wetterstimmungen, Wolkenbildungen, Rauchfahnen, Baumstudien etc.) ist bei Tina Blau in den 1890er Jahren besonders groß und steht auch bei ihren Reisen nach Norddeutschland (1904) und Holland (1904/08) im Vordergrund. Sie wurde als Malerin des Wiener Praters berühmt und führt uns in besonders eindrucksvoller Weise in den zarten, dünnlinigen und genauen Zeichnungen vor, wie sich Zeichnung und Malerei im Ausdruck ergänzen. Gerade die Zeichnung führt sie zu einer eigenen Kunstgattung, die nicht mehr nur als Skizze für ein Gemälde zu sehen ist. Es handelt sich um eigenständige Kunstwerke, die zwar als Erinnerungshilfe dienen können, aber nicht nur dafür angefertigt werden. Gerade in den Auslassungen, die einer bloßen Skizze eher abträglich wären, erzeugt sie Spannungsmomente und entfaltet eine Duftigkeit, die ihresgleichen sucht.
Ihre besondere Leistung ist es wohl auch, sich in einer von Männern dominierten Kunstwelt einen bedeutenden Platz gegen alle Widerstände zu erobern und es ist kaum abzuschätzen, was ihr Vater durch seine Unterstützung ihrer, für diese Zeit ungewöhnlichen Bestrebungen, der Kunstwelt erhielt. Aber ohne ihren Willen und ihre Begeisterung für die Malerei wäre es auch nicht zu diesen Bildern gekommen. Unermüdlich arbeitete sie sich nach oben, der Kunst wegen, die ihre Liebe für ein ganzes Leben war. Die Bilder, Aquarelle und Zeichnungen der Tina Blau gehören heute zu den am meisten gesuchten Objekten des Kunstmarktes.