Kunst oder Fälschung? (2. Teil)
Kunst oder Fälschung?
Es sind in der Frage nach der Urheberschaft eines Kunstwerkes einige Dinge in der historischen Sicht zu bedenken. Nicht alles, was gleich öder ähnlich einem anderen Werk ist, kann zwangsläufig als Fälschung bezeichnet werden. Die Fälschung besteht in dem Vorsatz, den Betrachter bzw. Käufer täuschen zu wollen, aus welchem Grund auch immer. Bereits Jahrhunderte vor uns gab es s.gen. Fälschungen oder Kopien, und nicht immer ist der Vorsatz der Täuschung der Grund dafür. Auch heute noch sehe ich immer wieder Kunststudenten (vlcht. auch Autodidakten) in Museen sitzen und den Geheimnissen eines Bildes auf den Grund gehen.
Die Fälschung:
Kaum ein Bild ist so oft gefälscht worden, wie die Mona Lisa von Leonardo da Vinci, und keines gibt der Wissenschaft so viele Rätsel auf. Die bekanntesten sind wohl die Iselworth Mona Lisa (links) und die Fälschung im Madrider Prado, vermutlich von Francesco Melzi , geb. um 1491, gestorben 1570 (rechts).
Das Modell:
In mehreren Theorien wird immer wieder eine andere Dame als Vorbild gewählt, aber es könnte auch sehr gut sein, dass sie für Leonardo einen Typus darstellte. Bereits während seines Lebens gab es zahlreiche Fälschungen und selbst die Frage, ob diejenige im Louvre in Wahrheit die echte ist, blieb lange und ist noch Ziel von Spekulationen. Die La Gioconda (die Fröhliche, die Heitere) ist auch heute noch das Ziel wilder Theorien. Eine der dümmsten wird immer wieder genannt, nämlich dass ihr Geheimnis dahingehend besteht, dass sie dem Betrachter mit ihren Augen durch den ganzen Raum folgt. Das kann jedes Strichmännchen (ausprobieren!) und liegt an der Zweidimensionalität, nicht aber an Leonardos Genialität.
Das Geheimnis:
Für mich besteht das Geheimnis nicht darin, dass es sich angeblich um eine Dame der Gesellschaft handelt, oder welche Theorie nun die richtige ist, für mich besteht das Geheiminis der Mona Lisa in anderem Zusammenhang. Vielleicht ist es Leonardos umfassendem Wissen und seinem wissenschaftlichen Geist zuzuordnen? Betrachtet man die Gioconda, so ist rechts der Hintergrund flach und in das berühmte Sfumato (unscharfe Nebeligkeit) getaucht. Auch der Vordergrund ist flach, kaum Tiefe auf der rechten Seite. Ganz anders die linke Seite. Vorne hängt die Hand über die Balustrade, im Hintergrund führt ein Weg in die Tiefe des Raumes und der ist klar. Nimmt man nun ein Blatt und teilt das Bild genau an der Nase in zwei Hälften, so fällt es auseinander und das berühmte “Lächeln der Mona Lisa” ebenso: Links im tiefen Teil ein tiefgründiges, fast hintertriebenes Lächeln, rechts das oberflächliche Grinsen einer Naiven. Das erzeugt im Betrachter Unsicherheit. Ein sehpsychologisches Phänomen, um das Leonardo vielleicht wusste, vielleicht aber erahnte er es nur. Das Phänomen gleicht in seiner Auswirkung dem Grund, der den Hund dazu veranlasst, den Postboten zu verbellen, weil der nach so vielen verschiedenen Menschen riecht, dass er ihn nicht einordnen kann; dieser ist jedes Mal ein anderer Mensch.
Wie auch immer es sein mag, das Geheimnis darf Gehemins bleiben und öffnet den Blick erstmals für die Frage nach der Fälschung.
Die Fälschung, was ist das?
Landläufig versteht man unter dem Begriff einer Fälschung heute die bewusste Nachahmung eines berühmten Künstlers zum Zwecke der Täuschung und der Befriedigung der Gewinnsucht. Und doch zeigt die Geschichte der Fälschung ein vielfältiges Bild.
Zum einen ist da die zeitgenössische Fälschung der alten Meister. Sie ist im Grunde eine Nachahmung des Stils oder auch die Bewunderung für einen Malerkollegen, der es besser kann. Eines der besten Beispiele ist Hieronymus Bosch (um 1450 bis 1516). Die „Fälschungen“ seiner Bilder führte zu Zuschreibungen, die sich als falsch herausstellten. Alles, was in der Art wie seine Höllenvisionen gemalt war, schrieb man ihm zu, ja manche machten gar eine Werkstatt dafür verantwortlich. So war es aber nicht. Die Bilder des Hieronymus Bosch wurden vom spanischen Hof und den inquisitorischen Tendenzen sehr gerne gekauft. Andere als Bosch wurden auf diesen Umstand aufmerksam und malten nun auch Höllendarstellungen, teilweise unsigniert. Auch sie wollten den spanischen Hof und die Kirche bedienen. Diese Bilder erfüllen zwar den Tatbestand der Bereicherung, aber nicht den einer Fälschung. Sie waren im selben Stil gemalt und führten zur Verunsicherung in der Kunstgeschichte, bis man eben draufkam, dass er alleine diese Flut gar nicht hätte bewältigen können.
Diese Methodik war immer wieder Usus. Zumeist, vor allem mit Beginn der Renaissance und dem aufkommenden Selbstbewusstsein der Künstler, die sich nicht mehr als einfache Handwerker fühlten, wurde nun signiert, und die Hände konnten unterschieden werden. Ob die zeitgenössischen Fälschungen der großen Renaissance- Künstler als solche gelten dürfen, kann bezweifelt werden. Nachahmung trifft es besser. Doch muss das nicht immer so gewesen sein.
Mit Fortdauer der Kunst in der Gesellschaft und dem erhöhten Stellenwert, traten nun nicht mehr nur Adelshäuser und Kirchen als Käufer auf, immer mehr war es das Bürgertum. Geliebte Künstler wurden teurer und weniger erfolgreiche begannen manchmal zu fälschen. Und selbst das ist nicht immer hundertprozentig zu klären.
Eine der schillerndsten Figuren unter den Fälschern ist wohl Han van Meegeren (1889-1947). Von seinem Vater abgelehnt (Du weißt nichts, du bist nichts und du kannst nichts) und in seinem Kunsttalent verkannt, er verbot ihm Kunst zu studieren und er musste Architektur wählen, und auch von der Kunstkritik der Jahrhundertwechsels und den impressionistischen Tendenzen verkannt und verlacht, wandte er sich den großen Niederländern zu, allen voran Jan Vermeer, den er grenzenlos bewunderte. Bezeichnend darf eine Begebenheit in seiner Jugend gesehen werden: Er sah einen Schlüssel an einer Polizeistation stecken, sperrte ab und warf den Schlüssel in den Gully. Aus der Ferne beobachtete er die Polizisten, wie sie aufgeregt beim Fenster aus und ein sprangen. Schon da war der Keim zu seinem Wunsch, es „der Welt zu zeigen“ gelegt.
Han heiratete und begann die großen Niederländer zu fälschen, nachdem ihm die Akademie das Zeugnis der Unbegabtheit ausgestellt hatte. Er begann Vermeer zu fälschen. Eine solche Fälschung wurde vom Kunsthistoriker Abraham Bredius für echt erkannt und vom Rotterdamer Museum angekauft.
Während der Nazidiktatur fälschte er in Nizza in einem Häuschen, das er vom Erlös des Bildes Christus und die Jünger in Emaus kaufte. Nicht einmal seine Frau wusste über seine Machenschaften Bescheid. Er kehrte nach Kriegsausbruch in die Niederlande zurück, fälschte aber fleißig weiter. Der „Vermeer“ Die Fußwaschung wurde trotz Bedenken vom Reichsmuseum in Amsterdam für 1.250.000 Gulden angekauft.
Über sehr verschlungene Wege verkaufte er alle diese Fälschungen vorzugsweise nach Nazideutschland, wo sie in der Sammlung Hermann Görings landeten, was mich, ich gebe es zu, mit einer gewissen Häme und auch Freude erfüllt. Görings Kunsthistoriker hätten die Fälschung einfach daran erkennen können, dass van Meegeren Kobaltblau verwendete, das es zu Vermeers Zeiten gar nicht gab. 1943 kaufte er sich von all den Erlösen ein haus in Amsterdam. Als ehrbarer Bürger verdiente er mit seinen Fälschungen zwischen 5,5 und 7.5 Millionen Gulden.
Ais Deutschland allerdings drohte Gefahr, die er nicht erkannte. Über das Bild Christus und die Ehebrecherin bei Göring fand man die Wege zu ihm zurück und er wurde der Kollaboration mit den Nazis beschuldigt. Diesen Vorwurf konnte er nicht aushalten und das erste Mal in seinem Leben bekannte er: Ich bin ein Fälscher! Man glaubte ihm nicht, und er verlangte in der Untersuchungshaft nach Pinsel und Farbe und fälschte seinen letzte Vermeer Jesus unter den Schriftgelehrten. Mehrere Gutachter untersuchten alle von van Meegeren benannten Gemälde von Vermeer, Frans Hals und anderen, und sie kamen zum Schluss, vor allem wegen der Verwendung von Bleiweiß (erst im 20 Jhdt. angewandt), dass alles aus seiner Hand stammte. Er wurde verurteilt und musste seine Haft gar nicht mehr antreten, er starb an einem Herzanfall noch vor Antritt seiner Strafe.
Der bedeutende Salzburger Maler Anton Faistauer (1887-1930 hatte einen Sohn Anton. Dieser begann bald zu malen und imitierte (sehr schlecht) seinen Vater, der posthum ziemlich teuer geworden war. Natürlich signierte er (ähnlich wie der Vater) mit Anton Faistauer. Ist das nun eine schwache Fälschung oder nicht?
Noch viel schwieriger wird die Frage, wenn die Nachlassgesellschaft Bestätigungen ausstellt, weil sie dafür Geld bekommt. Einer Gruppe aus Italien wurde von Lutz W. Löpsinger nachgesagt, sie würden in großem Stil vorsignierte Blätter von Salvador Dali bearbeiten lassen und in Umlauf bringen. Er führte auch eine Liste gefälschter Unterschriften. Die Nachlassgesellschaft allerdings bestätigte laut Löpsinger die Authentizität der Arbeiten gegen die Zahlung einer erheblichen Summe Geldes. Diese Ausstellungen tourten um die ganze Welt und spielten wohl auch satte Gewinne ein. Hier wären wir bei vorsätzlichem Betrug angelangt, und dieser betrifft nicht nur Dali, er betrifft viele Künstler des 20. Jhdts.
Wolfgang Beltracchi (geb 1951) begann Heinrich Campendonk, Max Ernst und Max Pechstein, Fernand Léger, André Derain und andere zu fälschen. Hier erkennen wir reine Gewinnsucht und klaren Betrug. In diesem Fall war die Triebfeder ausschließlich die kriminelle Energie. Er wurde 2010 verhaftet. 2011 wurde er zu Recht in Köln zu sechs Jahren wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Anzahl seiner Fälschungen ist unbekannt, verhandelt wurde lediglich wegen 14 Gemälden, von denen bekannt war, dass er sie gefälscht hatte. Der Kunsthistoriker Werner Spies, selbst in den Fälschungsskandal involviert, geht von 100 bis 200 Fälschungen aus.
Konrad Kujau (1938 – 2000) wurde durch die gefälschten Hitler-Tagebücher bekannt, die er dem Stern für 9,3 Millionen DM zuspielte. Er wurde zu viereinhalb Jahren verurteilt, von denen ihm wegen einer Kehlkopferkrankung eines erlassen wurde. Er eröffnete einen Shop mit „Original-Kujau-Fälschungen“. Er bezeichnete die vielen verschiedene Fälschungen unterschiedlichster Künstler des 20 Jhdts. mit Kujau und kann so nur bedingt als Fälscher geführt werden.
Alfons Walde (1891-1958) war ein Kopist seiner selbst, aber nicht nur. Er hatte manchmal drei oder vier Staffeleien nebeneinander stehen und malte seine berühmten Bergbauernmotive und die Skifahrer, die im Schnee (gemalt mit dem typisch gewordenen „Brennerweiß“) ihre Schwünge in der Bergwelt Tirols ziehen. Aber das ist es nicht allein. Wäre alles, was nach Walde aussieht und als Walde im Handel ist, auch wirklich von ihm, er wäre mit Sicherheit heute noch am Leben. Als seine Tochter, Guta Eva Berger, dann Studenten anstellte, Walde zu fälschen, die sie mit dem Nachlasszettel versah, wurde es kriminell. Eine der Fälschungen wurde einst im Dorotheum angeboten und das völlig gleichartige Bild war zuvor in London versteigert worden. In London lag eine Expertise von Gerd Amann vor, in Wien es ein bestätigender Brief von ihm. Auffällig war, dass die beiden Bilder zwar fast deckungsgleich waren, das eine aber pastos wie gewohnt, das andere aber eher flach. Das kann nun auch dann nicht sein, wenn Walde nebeneinander mehrmals dasselbe Thema malt, denn erstens würde er keinen Diaprojektor verwenden und zweitens nicht eines gewohnt pastos und das andere flach malen.
Das Resümee zeigt, es gibt so viele Arten der Fälschung und so viele Schattierungen der Absichten, dass es zwar rechtlich nicht relevant ist, aber wohl moralisch. Man kann nur daraus lernen, dass es vielleicht gescheiter ist, nicht zu spekulieren, sondern Kunst einfach zu lieben und zu kaufen, um seine Wände zu schmücken.